Günther Anders

Günther Anders-Preis für kritisches Denken 2022 an Joseph Vogl

Zum dritten Mal wurde am 8. Mai 2022 der Günther Anders-Preis für kritisches Denken verliehen. Ausgezeichnet wurde der Philosoph, Literatur- und Kulturwissenschaftler Joseph Vogl, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur und Kulturwissenschaft in Verbindung mit Medien an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Regular Visiting Professor an der Princeton University. Die Preisverleihung fand in der Staatsbibliothek zu Berlin statt.

Die Laudatorin Petra Gehring, Philosophieprofessorin an der Technischen Universität Darmstadt, würdigte den auch aus Fernsehgesprächen bekannten Joseph Vogl als vor allem durch Texte wirkenden Intellektuellen: „Und damit ist es eben das Geschriebene, das zählt. Dazu die akademische Ambition, die gelehrte Akribie und vielleicht sogar der akademische Furor, der bei aller Leichtigkeit Vogls Studien so unverwechselbar macht.“ In insgesamt vier Büchern gehe Vogl den Diskursen der kapitalistischen Ökonomie und den Realitäten der Finanzwirtschaft nach. „Rückblickend gesehen vollziehen die Arbeiten in faszinierender Konsequenz eine Art Entdeckungsbewegung, drehen ihren Gegenstand mehrmals und liefern am Ende eine vierfache Genealogie der durch Finanzmacht geprägten Moderne.“

Aufzeichnung der Preisverleihung [Livestream auf youtube.com]

Joseph Vogl nahm die Preisverleihung zum Anlass, in seiner Dankesrede an vergangene Überlegungen mit Gedanken zum Verhältnis von Kapitalismus und Ressentiment anzuknüpfen: "Die List des Ressentiments nimmt den Weg einer Regression, die aus der krisenbedingten Kritik am internationalen Kapitalismus eine Kritik an globalen Abhängigkeiten und aus dieser aber die xenophobe Schablone gewinnt – die Verhältnisse selbst bleiben unbehelligt.“ Abschließend konstatierte Vogl: „Es scheint, als hätte die Dezivilisierung längst angefangen, bevor der Krieg begann.

Gründungsmitglied und Stellvertretender Obmann der Günther Anders-Gesellschaft, Christian Dries, fragte in seiner Begrüßung, wieviel Aktualität eine Anders-Preisverleihung vermitteln könne: „Denn wieder steht die Drohung mit dem Einsatz der Bombe im Raum – wobei Günther Anders sofort eingewandt hätte, dass bereits der bloße Besitz der Atombombe ihrer Verwendung als Drohmittel gleichkomme.“

Foto © gezett

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Der Gründer der C.H.Beck-Stiftung Wolfgang Beck würdigt Joseph Vogls "dichte Beschreibung komplexer wirtschaftlicher und technologischer Zusammenhänge, die mit Macht in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit hineinwirken“.

Die Jury, der die Philosophin Petra Gehring, der Publizist Mathias Greffrath und der Kulturwissenschaftler Thomas Macho angehören, zeichnet Vogl für sein wissenschaftliches und publizistisches Gesamtwerk, insbesondere für seine jüngeren Arbeiten zur Theorie der Gegenwart und des modernen Finanzkapitalismus aus. Mit ihrer Entscheidung würdigt die Jury einen Autor, dessen kritische Gegenwartsdiagnostik Brücken schlägt zwischen den Disziplinen, etwa zwischen Literaturwissenschaft und Wissensgeschichte, aber auch zwischen Philosophie, Kultur- und Medienwissenschaft, vor allem jedoch zwischen Kulturkritik und Ökonomie. Joseph Vogl avancierte zu einem Wortführer in der Kritik am modernen und gegenwärtigen Finanzmarktkapitalismus. In seinem jüngsten Werk Kapital und Ressentiment. Eine kurze Theorie der Gegenwart rekonstruiert er, wie im digitalen Zeitalter gigantische Internetkonzerne als neue unternehmerische Machtformationen unser vertrautes politisches Universum grundlegend verändern und immer massiver in die Entscheidungsprozesse von Regierungen, Gesellschaften und Volkswirtschaften eingreifen.

Der Günther Anders-Preis wird von der Internationalen Günther Anders-Gesellschaft (www.guenther-anders-gesellschaft.org/) alle zwei Jahre abwechselnd in Wien, München und Berlin verliehen und ist mit 20.000 Euro dotiert. Finanzieller Träger des Preises ist die C.H.Beck-Stiftung in München.

Mit ihrer Entscheidung würdigt die Jury einen Autor, dessen kritische Gegenwartsdiagnostik Brücken schlägt zwischen den Disziplinen, etwa zwischen Literaturwissenschaft und Wissensgeschichte, so schon in der Dissertation über Ort der Gewalt. Kafkas literarische Ethik (1990), aber auch zwischen Philosophie, Kultur- und Medienwissenschaft, vor allem jedoch zwischen Kulturkritik und Ökonomie. Der zuletzt genannten Thematik widmet sich Joseph Vogl seit 2002, erst in seinem Werk Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen, danach in drei Büchern zum Gespenst des Kapitals (2010), zum Souveränitätseffekt (2015) und jüngst zu Kapital und Ressentiment (2021). In seinen überwiegend bei Diaphanes erschienenen Schriften gelingt es Vogl, komplexe Analysen in essayistischer, darstellerisch ebenso anspruchsvoller wie erhellender Form vorzutragen. Dabei arbeitet er mit Verweisen und Kommentaren, die den Kanon philosophischer Theoriebildung souverän handhaben, wie auch mit Referenzen zur Literatur, beispielsweise zu Don DeLillos Cosmopolis.

Joseph Vogl avancierte zu einem Wortführer in der Kritik am modernen und gegenwärtigen Finanzmarktkapitalismus. In seinem jüngsten Werk Kapital und Ressentiment. Eine kurze Theorie der Gegenwart rekonstruiert er, wie im digitalen Zeitalter gigantische Internetkonzerne als neue unternehmerische Machtformationen unser vertrautes politisches Universum grundlegend verändern und immer massiver in die Entscheidungsprozesse von Regierungen, Gesellschaften und Volkswirtschaften eingreifen.

Der Günther Anders-Preis für kritisches Denken wird für herausragende Leistungen im Bereich philosophischer, kulturwissenschaftlicher und politischer Essayistik vergeben. In Erinnerung an den Philosophen und Zeitdiagnostiker Günther Anders (1902–1992) werden vorrangig, aber nicht ausschließlich deutschsprachige Autorinnen und Autoren und deren Werke ausgezeichnet, welche sich in aufklärerischer Tradition mit den Lebensbedingungen unserer gegenwärtigen Welt befassen, insbesondere mit den kulturellen, ökonomischen und technisch-medialen Umwälzungen der Zeit. Prämiert wird innovatives und originelles Denken, das mit besonderer ästhetischer Qualität einhergeht, insbesondere mit der Fähigkeit zur sprachlich klaren Vermittlung komplexer Gedanken. Erstmals vergeben wurde der Preis 2018 in Wien an Dietmar Dath, 2020 erhielt ihn die französische Philosophin Corine Pelluchon.

Der Günther Anders-Preis wird von der Internationalen Günther Anders-Gesellschaft alle zwei Jahre abwechselnd in Wien, München und Berlin verliehen und ist mit 20.000 Euro dotiert. Finanzieller Träger des Preises ist die C.H.Beck Stiftung in München.

Zu Leben und Werk von Günther Anders: https://www.guenther-anders-gesellschaft.org/

Internationale Günther Anders-Gesellschaft
Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
A-1015 Wien, Josefsplatz 1
http://www.guenther-anders-gesellschaft.org/

Günther Anders (1902 - 1992) zählt zu den bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Im deutschen Sprachraum ist seine geistige wie politische Radikalität ohne Beispiel. Sein Hauptwerk ist "Die Antiquiertheit des Menschen".

ausführliche Vita siehe bittte Internationale Günther Anders-Gesellschaft

Das Werk

Die Antiquiertheit des Menschen
Band I: Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution.

Die Antiquiertheit des Menschen
Band II: Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution.

Die atomare Drohung
Radikale Überlegungen zum atomaren Zeitalter.

Besuch im Hades
Auschwitz und Breslau 1966. Nach „Holocaust“ 1979.

Der Blick vom Mond
Reflexionen über Weltraumflüge.

Hiroshima ist überall
Tagebuch aus Hiroshima und Nagasaki. Briefwechsel mit dem Hiroshima-Piloten Claude Eatherly. Rede über die drei Weltkriege. 

Ketzereien

Lieben gestern
Notizen zur Geschichte des Fühlens.

Mariechen
Eine Gutenachtgeschichte für Liebende, Philosophen und Angehörige anderer Berufsgruppen.

Mensch ohne Welt
Schriften zur Kunst und Literatur.

Die molussische Katakombe
Roman. Mit Apokryphen und Dokumenten aus dem Nachlass. Hrsg. und mit neuem Nachwort versehen von Gerhard Oberschlick.

Philosophische Stenogramme

Tagebücher und Gedichte

Über Heidegger
Hrsg. v. Gerhard Oberschlick. Mit einem Nachwort von Dieter Thomä.

Die Weltfremdheit des Menschen
Schriften zur philosophischen Anthropologie. Hrsg. von Christian Dries. Unter Mitarbeit von Henrike Gätjens.

"Es eröffnet wertvolle Einblicke in die Geschichte der Anthropologie“
Konstantin Sakkas, Tagesspiegel

Wir Eichmannsöhne
Offener Brief an Klaus Eichmann.

Musikphilosophische Schriften
Texte und Dokumente. Hrsg. von Reinhard Ellensohn.

"Ein bemerkenswerter und faszinierender Band."
Laurenz Lütteken, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Diese Titel sind größtenteils auch als E-Book erhältlich.