Navid Kermani: In die andere Richtung jetzt

Navid Kermani ist vom Süden Madagaskars bis in die Nuba-Berge im Sudan gereist. Behutsam, am einfühlsam beobachteten Detail, ohne große Thesen, lässt er den Osten Afrikas lebendig werden. Aber zugleich, aus neuer Perspektive, denkt Kermani über die Themen auch unserer Gegenwart nach, über Klimawandel, Krieg, Entwicklung und Identität sowie die grundsätzlichen Fragen der Existenz.

Bis heute gilt Afrika als der «vergessene Kontinent», dabei ist es spätestens seit dem 19. Jahrhundert vor allem der umkämpfte Kontinent. Europäische Kolonialmächte haben hier tiefe Wunden hinterlassen. Der arabische Norden trägt seine Religion und Kultur in den Süden, oft mit Gewalt. China und der Westen konkurrieren um Bodenschätze und Einfluss. Vergessen ist Afrika vor allem da, wo es nichts zu holen gibt, etwa auf Madagaskar. Hier haben die Vereinten Nationen die erste Hungersnot deklariert, die vom Klimawandel verursacht wurde. Hier beginnt die Reise, die Navid Kermani für DIE ZEIT unternommen hat. Sie führt ihn weiter über die Komoren, Mosambik, Tansania, Kenia und Äthiopien bis in den Sudan. Wo andere Schriftsteller Ursprünglichkeit suchten, entdeckt Kermani Bevölkerungen und Kulturen in Bewegung, oft auf der Flucht vor Krieg und Dürre. Vor allem aber haben sie schon immer kreativ neue kulturelle Einflüsse aufgegriffen und zu etwas Eigenem gemacht. Das zeigt sich nirgends so deutlich wie in der Musik. Sie bildet den heimlichen roten Faden des glänzend geschriebenen Buches, das einem unwiderstehlichen literarischen Rhythmus folgt. 

272Seiten, mit 1 Karte - Leseprobe (PDF) 

Ein zeitgenössischer Herodot.

Rheinische Post

Inhaltsverzeichnis

HINREISE

KLIMA
Im Süden Madagaskars

EWIGKEIT
Im Hochland Madagaskars

RHYTHMUS
Bei Nainako und seinen Freunden in Antananarivo

ENTWICKLUNG
Auf den Komoren
Mayotte: Aus der Tauschwirtschaft in die Europäische Union
Anjouan: Am Anfang der Lieferkette
Moheli: Hier hast du nur Vergangenheit
Grande Comore: Wie im alten Athen

ENERGIE
In der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks

FRIEDEN
Im Norden Tansanias

KOLONIALISMUS
Nairobi

KRIEG
In der Region Tigray im Norden Äthiopiens

GEBET
In den Kirchen und Klöstern Äthiopiens

JAZZ
Mit Mulatu Astatke in Addis Abeba

IDENTITÄT
In den Nuba-Bergen im Sudan

URLAUB

Navid Kermani auf Lesereise

16. Okt. Nürnberg, Z-Bau - Haus für Gegenwartskultur +++ 18. Okt. Frankfurt am Main, Buchmesse Frankfurt, zusammen mit Aleida Assmann, Schauspiel Frankfurt +++ 7. Nov. Tübingen, Gespräch mit Wolfgang Bauer, Osiandersche Buchhandlung +++ 18. Nov. Essen, Stiftung Mercator +++ 21. Nov. Wien, Hauptbücherei Wien +++ 22. Nov. Kassel, im Gespräch mit Amira El Ahl, Staatstheater Kassel +++ 27. Nov. Hamburg, im Gespräch mit Tsitsi Dangarembga, Thalia Theater +++ 5. Dez. Stuttgart, Literaturhaus Stuttgart +++ 14. Jan. 2025 Zürich Kaufleuten +++ 30. März Ettlingen, Stadthalle

weitere Veranstaltungsinformationen

Navid Kermani, geboren 1967 in Siegen als vierter Sohn iranischer Eltern, begann bereits mit fünfzehn Jahren, regelmäßig für die Westfälische Rundschau zu schreiben. Nach dem Abitur und einer Hospitanz bei Roberto Ciulli am Theater an der Ruhr in Mülheim studierte er in Köln, Kairo und Bonn Islamwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft. Parallel dazu schrieb er ab 1995 regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Zeitung Literaturkritiken und Reportagen und war als Dramaturg am Theater an der Ruhr in Mülheim (1994/95) und am Schauspielhaus Frankfurt (1998/99) tätig. Mit seinen islamwissenschaftlichen Büchern Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran (1999) und Der Schrecken Gottes. Attar, Hiob und die metaphysische Revolte (2005), mit denen er promoviert und habilitiert wurde, erregte er viel Aufmerksamkeit im Fach und weit darüber hinaus.
2002 erschien Kermanis erster Roman Das Buch der von Neil Young Getöteten. Seit 2003 lebt er als freier Schriftsteller in Köln, der Romane, Essays zu Religion, Politik, Kunst und Literatur, Bücher für jüngere Leser sowie literarische Reiseberichte schreibt. Die Bezugspunkte seines Denkens und Schreibens reichen vom Koran über Hölderlin bis Kafka, von der islamischen Mystik über die Aufklärung bis zur amerikanischen Gegenkultur. Seine Romane erscheinen seit 2011 bei Hanser, die Essays und Reportagen bei C.H.Beck.

Navid Kermani äußert sich immer wieder zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen, meist aus ungewohnter Perspektive, und bringt damit die Diskussionen weiter. Höhepunkte waren seine Rede vor dem Bundestag zum fünfundsechzigjährigen Bestehen des Grundgesetzes [youtube.com] sowie seine Dankrede bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels [youtube.com]. Preise, Fellowships und Gastprofessuren haben nichts daran geändert, dass Navid Kermani ein sensibler Zuhörer ist, der mit seismographischem Spürsinn Details und Nuancen wahrnimmt und der sich, seinen literarischen und politischen Anliegen und dem 1. FC Köln die Treue hält.

<p style="text-align: center;"><br>(c) Heike Bogenberger autorenfotos.com<br><br><a rel="noopener" href="https://www.navidkermani.de/" target="_blank">Die Webseite von Navid Kermani </a>


(c) Heike Bogenberger autorenfotos.com

Die Webseite von Navid Kermani 

Die Weite seines Werks hat etwas Spielerisches, Experimentelles, vielleicht sogar Anarchisches. ‚Ihr kriegt mich nicht!,‘ hört man ihn im Geiste rufen, ‚niemandem gehöre ich.‘ Und hätte es in der deutschen Übersetzung nicht schon etwas Schales, müsste man ihn Pontifex maximus, Oberster Brückenbauer, nennen – das wäre, klar, eine Anmaßung, denn dieser päpstliche Titel steht ihm nicht zu. Aber sein Werk wäre damit, ziemlich vage noch und auch leicht gewagt, recht gut beschrieben.

Philipp Gessler, taz